Architektur
Klosterkirche
1137 wird die 50 Meter lange romanische Klosterkirche Walkenrieds, eine kreuzförmige dreischiffige Basilika mit fünf Apsiden, geweiht, der gotische Neu- und Nachfolgebau kurz vor 1209, also nach nur 70 Jahren, von Abt Heidenreich initiiert und zunächst durch Kaiser Otto IV. mitfinanziert. Der Bau folgt einem französischen frühgotischen Schema, wobei sein Grundriss direkt von der Primarabtei Walkenrieds, dem burgundischen Kloster Morimond übernommen wird.
Es handelt sich auch hier um eine dreischiffige Basilika mit fünf Langhausjochen, mit sechsteiligen Gewölben im Mittelschiff und einem fünfschiffigen Chor. Bereits 1253 wird der Ostteil für den Gottesdienst genutzt. 1290, nach 80 Jahren Bauzeit, weiht der Hildesheimer Bischof Siegfried II. die gotische Klosterkirche. Mit fast 100 m Länge ist sie damals eine der größten Kirchen Norddeutschlands.
Der ursprünglich gerade Chorschluss muss in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts auf Grund statischer Schwierigkeiten durch ein 5/8-Polygon ersetzt werden. An der Innenseite des Chorpolygons befinden sich Ritzzeichnungen, die Angehörige der Familie von Werther in Ritterrüstung zeigen. Die Darstellungen weisen diesen Bereich der Klosterkirche als Grablege der Familie aus.
Nachdem die Vierung der Klosterkirche im Bauernkrieg beschädigt wird, ist der Kirchenbau dem Verfall preisgegeben. Teile der Westfassade, der südlichen Seitenschiffwand sowie der Ostteil der südlichen Mittelschiffwand sind erhalten. 1902 stürzt ein Teil des Polygons ein. Nach einem weiteren Teileinsturz werden 1987/88 die oberen Mauerpartien neu aufgemauert.
Klausurgebäude
Das Klausurgebäude mit Kreuzgang, Brüdersaal, Kapitelsaal, Brunnenhaus, sogenannter Abtei, Treppenhäusern und Dormitorium, allesamt spätestens um 1330 fertiggestellt, schließt sich südlich an die gotische Kirche(nruine) an.
Kreuzgang
Der Kreuzgang mit einer Höhe von fast 6 Metern gilt als einer der schönsten der Gotik in Norddeutschland. Das Wahrzeichen Walkenrieds ist der nördliche doppelschiffige Flügel, der Lesegang (doppelschiffiger nördlicher Kreuzgangflügel), dessen Kreuzrippengewölbe in der Mitte von Säulen getragen wird und deren Kapitelle mit naturalistischem Blattwerk gestaltet sind. Die übrigen Flügel des Kreuzgangs sind einschiffig (siehe auch weiter unten).
An den Wänden des Kreuzgangs sind zahlreiche Epitaphien, Grabsteine und Gedenkplatten angebracht, die, da sie ihrem ursprünglichen funktionalen Zusammenhang teilweise nicht mehr eindeutig zuordenbar sind, in chronologischer Reihenfolge präsentiert werden.
Unter anderem handelt es sich um Ritzgrabsteine des Ritters Werner von Lethgast und des Grafen Dietrich III. von Honstein aus dem ausgehenden 13. und dem frühen 14. Jahrhundert.
Das Bestatten auf geweihtem Boden gilt im Mittelalter als Privileg, für das hohe Stiftungen geleistet werden; in Zisterzienserklöstern ist die Beisetzung von Laien erst 1217 durch das Generalkapitel gestattet. Die nicht mehr vorhandenen Grüfte des Walkenrieder Kreuzgangs stammten gänzlich aus nachmönchischer Zeit.
Nördlicher Kreuzgangflügel – Lesegang
Der nördliche Kreuzgangflügel der Klosteranlage Walkenried, der in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts zeitparallel zum Langhaus der Klosterkirche errichtet wird, weist ein herausragendes architektonisches Charakteristikum auf:
Er ist wie bereits sein romanischer Vorgängerbau zweischiffig und zeigt durch Höhe, Weite und Lichteinfall sowie durch die Rhythmisierung der Halle mit neun Rundstützen einen außergewöhnlichen Raumeindruck.
Dieser zweischiffige gotische Kreuzgangflügel sowie der romanische zweischiffige Kreuzgangflügel in Königslutter – von dort übernimmt Walkenried bereits in seinen ersten romanischen Klausurbau die Doppelschiffigkeit – stellen die bedeutendsten Vertreter dieser sehr seltenen architektonischen Sonderform dar.
Der nördliche und zur Klosterkirche parallel verlaufende Kreuzgangflügel dient nur bei den Zisterziensern der allabendlichen Lesung (Kollation) vor der Komplet. Und nur bei den Zisterziensern findet auch die liturgische Fußwaschung (Mandatum) im Lesegang statt. Darauf weisen in Walkenried die beiden segmentbogenartigen Wasserausgussnischen in der südlichen Lesegangwand.
Diese Nutzungen als Ort der Lesung und der Fußwaschung könnten die bei den Zisterziensern anzutreffende Tendenz erklären, diesen Kreuzgangflügel besonders herauszustellen.
Brüdersaal
Handarbeiten der Mönche, die keiner Werkstatt bedurften, wurden im Brüdersaal (Fraterie), verrichtet. Der Walkenrieder Brüdersaal weist aufgrund zahlreichen Tür- und Fensteröffnungen eine auffallende Durchgangssituation auf.
Brunnenhaus
Das Brunnenhaus mit polygonalem Grundriss ist in der Mitte des Südflügels mit dem Kreuzgang verbunden. Der ursprünglich gewölbte Raum wird heute von einer flachen Holzdecke überfangen.
Der um 1220 gegossene Bronzebrunnen ist nicht mehr erhalten. Nachdem er im 18. Jahrhundert von den Landesherren nach Salzdahlum bei Braunschweig verbracht, verliert sich seine Spur; möglicherweise wird er – für Kriegszwecke? – eingeschmolzen.
Im Mittelalter entnehmen die Mönche am Brunnen das Weihwasser, waschen sich hier vor jeder Mahlzeit Gesicht und Hände und schneiden sich Tonsur und Bart. Die regelmäßige Erneuerung der Tonsur stellt den Bezug zum Mönchsgelübde her, symbolisch bedeutet dies eine zweite Taufe – die Architektur des Brunnenhauses erinnert an eine Kapelle.
Kapitelsaal
Der Kapitelsaal, der Versammlungsraum der Mönche, ist seit 1570 evangelische Kirche. Das Gewölbe des Kapitelsaals wird von kapitelllosen Säulen getragen. Die ursprüngliche farbige Fassung der Gewölberippen wird in den 1980er Jahren nach Befund rekonstruiert.
Im Mittelalter gehört die gesamte Mönchsgemeinschaft unter dem Vorsitz ihres Abtes dem Kapitel an. Ausgestattet ist der Saal mit einer umlaufenden Bank und einem Lesepult in der Mitte des Raumes. Auf den darauf ausliegenden Benediktsregeln lesen die Mönche täglich vor. Die Mönchsgemeinschaft trifft hier alle wirtschaftlichen oder rechtlichen Entscheidungen. Auch über die Aufnahme der Novizen wird entschieden. Als Ort des Gerichts muss hier jeder Mönch sein Schuldbekenntnis ablegen und vor allen Mitbrüdern Buße tun.
Die Ausstattung des Kapitelsaals – Altarretabel, Epitaph und Holzkanzel – stammt mit Ausnahme der spätromanischen Standpiszine (Waschbecken) aus nachmönchischer Zeit.
Die um 1220 gefertigte Piszine stammt möglicherweise aus der romanischen Kirche und diente als Ausgussbecken für die Reinigung der liturgischen Geräte. Die Piszine ist architektonisch durchgestaltet, der Schaft einem Bündelpfeiler nachempfunden. Sie wird von der evangelischen Kirchengemeinde als Taufbecken genutzt.
1577 stiftet der letzte – evangelische – Walkenrieder Abt Georg Kreite das Altarretabel. Die Mitteltafel des Flügelaltars zeigt die Darstellung des Abendmahls, die Martin Luder aus Nordhausen zugeschrieben wird.
Das hölzerne Prunk-Epitaph ist dem letzten Honsteiner Grafen Ernst VII. gewidmet und zeigt den Grafen als Vollfigur im Profil vor einem Kruzifix kniend in ewiger Anbetung. Die Szenerie wird von einer dreiteiligen manieristischen Architektur hinterfangen. Der Künstler ist nicht überliefert, aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten könnte es sich um den Hildesheimer Bildhauer Jonas Wulff handeln.
Als Kirchenraum erhielt der Raum 1667 eine barocke Holzkanzel, die von Konrad Bonifacius aus Ellrich gefertigt wurde. Der Kanzelkorb wird von einem Delfin und einem Engel getragen. An den Brüstungsfeldern des Korbes sind eine Christusfigur, eine Figur Martin Luthers sowie Darstellungen der Evangelisten angebracht.